Samstag, September 19, 2009

Sie sollten sich was schämen

Ich habe mir heute den Tatort in Solln angesehen an dem Dominik Brunner getötet wurde.
Und ich kann immer weniger verstehen, daß sich niemand der 20 Menschen in der Nähe in der Lage sah einzugreifen.
Sogar wenn man auf dem gegenüber liegenden Bahnsteig stand, hätte man relativ gefahrlos die Gleise überqueren können – dies sogar bei einem schon sichtbaren herannahenden Zug – da zwischen Gleis und Tatort-Bahnsteig ein fast gleisbreiter Sandstreifen liegt. Zusätzlich wirkt ein kleiner Betonvorsprung direkt neben dem Tatort wie eine Treppe um wieder auf den Bahnsteig steigen zu können.
Ich erlaube mir deswegen dieses Pauschalurteil: Die Menschen, die damals auf dem Bahnsteig standen, sollten sich in Grund und Boden schämen.

Mittwoch, September 16, 2009

Dominik B., Feigheit und das Aufgeben von Bürgerrechten

Eigentlich ist es interessant wie sich gerade zwei scheinbar verschiedene Trends aus der gleichen furchtbaren Quelle zu nähren scheinen.

Als Dominik B. an der eigenen Courage zu Tode kam, haben mal wieder viele weggeschaut. Aus Furcht oder weil sie dachten, daß es sie nichts angeht? Beides ist denkbar. Was fehlte, war der Wille ein Risiko einzugehen um andere und damit auch sich selber als Teil einer Zivilgesellschaft zu verteidigen.

Und wo gibt es genau dieses Schema noch einmal? Dort wo Bürgerrechte aufgegeben werden um vermeintlich die Sicherheit zu erhöhen, während in Wirklichkeit genau die zu schützenden Güter der Vernichtung anheimfallen. Es passiert schon in allen Lebensbereichen: Kontrolle des Internets, Videoüberwachung, Pässe mit RFID-Chips. Die Bürger beginnen Ihre Freiheitsrechte aufzugeben, weil sie Angst vor den Risiken der Freiheit und Ihren Feinden haben.

Und das ist es was diese beiden Themen vereint: Nur wenn ich bereit bin Risiken auf mich zu nehmen, sei es als Allgemeinheit, wenn Terror unsere Ordnung gefährdet oder ganz persönlich, wenn einzelne bedroht werden, nur dann kann eine freie Gesellschaft funktionieren und frei bleiben.

Donnerstag, September 03, 2009

Odeion!!!

Hat schon mal jemand diesen kleinen blauen Kreidefleck entdeckt? Dort wo Twombly ein wenig fester aufgedrückt hat? Von der Mitte aus etwas rechts nach unten. Nein? Das dachte ich mir. Das Bild ist auch meins meins meins. Verdammt, wie kriege ich die Leute raus, die mir etwas davon weg gucken wollen?

Freitag, August 28, 2009

Brandhorst und die bösen bösen Kopfhörer

Erster Stock, von der Treppe aus durch die Tür im Osten, dann gleich links an der Nordwand. Da hängt mein aktuelles Lieblingsbild von Cy Twombly. Alleine dafür war ich jetzt schon mindestens fünf mal im neuen Museum der Brandhorst Sammlung. Ich könnte in die filigranen Kritzeleien hinein kriechen.

Überhaupt schlägt dieser Teil der Sammlung bei weitem den ganzen Rest. Deswegen macht die Trennung auch Sinn – auf der Etage finden sich nur Bilder von Twombly. Es wäre fatal gewesen andere Werke in Konkurrenz treten zu lassen.

Der erste Stock beheimatet auch die meditativsten Orte des Museums. Neben den großen Räumen findet sich in der Süd-West Ecke eine Art Lounge mit einem wunderbaren Panoramafenster. Das nächste Mal werde ich mein Notebook ins Museum schmuggeln und ein paar Stunden diesen Platz nicht verlassen.

Und zwar auch um einer schrecklichen Entwicklung zu entkommen. Auch im Museum Brandhorst hat sich eine Seuche festgesetzt. Die Kopfhörerseuche. Ich hatte schon in einer Hasstirade zur Kandinsky Ausstellung des Lenbachhauses meine Antipathie gegenüber diesen wahrnehmungszerstörenden Teufelswerken kund getan. Ich wiederhole das hier gerne nochmal. Wer sich beim ersten Entdecken und Kennenlernen eines Kunstwerks nicht von den eigenen Emotionen leiten, sondern von Kunsthistorikergebrabbel berieseln lässt, wird das Werk nicht kennen lernen. Man zerstört seinen ganz persönlichen Zugang. Man läßt nicht zu, daß einen ein Bild berührt.

Das ist nicht nur bitterschade, sondern die dümmste Erziehung zu Kunstverständnis. Natürlich ist es spannend sich anzuhören, was andere über ein Gemälde wissen, NACHDEM man es angesehen hat. Aber der erste Moment der Begegnung lässt sich nicht wiederholen und nicht was die Kunsttheorie sagt, sondern was sich im Bauch des Besuchers abspielt ist das wichtigste, wenn es um Wahrnehmung von Kunst geht.

Kunst gehört erfühlt und nicht gelernt.

Die FDP, die FDP

Wenn es noch etwas bedurft hatte, um die Steigbügelhalterfunktion der FDP in Bayern für die CSU zu beweisen, dann sind es die aktuellen Ereignisse um Quelle.

Während der von der FDP gestellte Wirtschaftsminister Martin Zeil noch verkündete, daß Quelle in Sachen staatlicher Unterstützung wie jedes andere bayerische Unternehmen behandelt werden würde, preschte Seehofer vollmundig in die andere Richtung und versprach das blaue an Unterstützung vom Himmel. Nicht nur das – Seehofer verkündete gar, er sei „täglich auch Wirtschaftsminister in Bayern“. Und Söder assistierte mit der Kunde, daß man im originären Wirtschaftsminister eben etwas überfordert sei und deswegen Kompetenzen zur Staatskanzlei gezogen werden müssten.

Von Martin Zeil kamen ein paar rhetorisch nette Gegenworte, aber das wars dann auch schon.

Das riecht mal wieder ein bißchen nach unbedingtem Machterhalt, gell. Lass uns mal in der Regierung bleiben. Daß wir da nichts zu sagen haben, werden wir schon überstehen.

Ich finde das peinlich.

Mittwoch, August 19, 2009

Wie ich mich zum Gespött aller Umstehenden und meiner Selbst gemacht habe

Kürzlich ist mir etwas sehr unangenehmes passiert. Ich habe mich aus einer moralisch einwandfreien Höhe heraus aus hinabgestürzt in die Tiefen des plumpen Idiotendaseins, dorthin wohin man zu Recht nur abschätzig ignoriert wird.

Und das kam so:

Ich joggte an jenem Tag die Isar entlang, eine von mir und anderen oft belaufene Strecke zu einem Stauwehr nördlich der Tivolibrücke. Es war ein sonniger Tag und zahlreiche Spaziergänger waren auf dem gleichen Weg unterwegs. Einige auch mit Hunden. Einige auch mit unangeleinten Hunden. Einige auch mit unangeleinten Hunden, die sie schlicht nicht unter Kontrolle hatten. Rücksichtslose Menschen, die man täglich mit Hundescheisse bewerfen sollte.

Und so lief mir irgendwann der erste Hund hinterher. Von der Biologie zur Jagd getrieben, war ihm schwer etwas vorzuwerfen. Seinen Besitzer habe ich versucht besonders böse anzusehen.

Dann kam der nächste Hund. Bellend und knurrend, waren Spiel und Jagd nur schwer auseinander zu halten. Der Besitzer erntete noch bösere Blicke, ich glaube ich habe auch irgendwas Oberlehrerhaftes gesagt.

Und dann lief der dritte Hund auf mich zu. Ich merkte da schon, daß es böse enden würde. Nicht weil der Hund so grandios gefährlich aussah, sondern weil mein Zorn sich aufgestaut hatte und nach Entladung suchte. Leider fand er sie.

Der Hund spurtete also bellend auf mich zu. Schwanz wedeln war nicht wirklich erkennbar. Die Besitzer, Mann und Frau, ignorierten mein Leid und auf mein energisches Lautgeben ("Hey!"), lachte man mir zu und rief "Das macht er nur kurz und läuft dann weiter".

Irgendwo nahm mein Zorn in dieser Sekunde die falsche Abzweigung. Ich hätte sie schelten können, die Satzung des Englischen Gartens mit Füßen zu treten oder ich hätte ihnen mit großen Worten ihr asoziales Ignorieren der Mitmenschen vorwerfen können.

Aber ich schrie: "Du dumme Sau!"

Ich hasste mich schon in dem Moment als ich es rief. Ich war als moralischer Sieger in das Gefecht gegangen und hatte den Sieg nicht nur verschenkt, sondern in hohem Bogen von mir geworfen.

Ich habe mich beim weiter Laufen nicht mehr umgedreht.

Dienstag, August 18, 2009

Ich und die Staatsbetriebe

Ha, ich habe mal wieder um mich geschlagen! Fahrradstandortverwaltungsprobleme bei Call-a-Bike einer Tochter von XY einer Tochter von YX einer Tochter der Bahn die dem Bund gehört, haben mich so fuchsteufelswild gemacht, daß ich erzürnte Faxe an vermeintlich Verantwortliche verteilt habe. Ein Vorstandsmitlied der Deutschen Bahn AG war darunter und diverse Menschen auf unterschiedlichen Managementebenen der DB Mobility Was-Weiss-ich GmbH mussten dran glauben. Vermutlich hält man mich da jetzt für einen renitenten Rentner, der nichts zu tun hat. Die beunruhigende Frage ist freilich, wie ich wohl drauf bin, wenn ich wirklich mal Rentner bin...

Mittwoch, März 11, 2009

Wieso mich Winnenden nicht so arg berührt

Jeden Tag sterben 26.000 Kinder unter 5 Jahren an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten. Uns würde nicht auffallen wenn es am Tag mal 100 mehr oder weniger wären. Schon das muß man verdrängen um nicht wahnsinnig zu werden. Nun sind 16 Menschen im Sicherheitshort Deutschland durch einen Amokläufer getötet worden. Und weil die Sender ihre Kameras in die Gesichter der Betroffenen halten, ist uns das Leid ganz nah und spürbar. Aber hinter jedem der 26.000 toten Kinder stecken auch fürchterliche Schicksale mit leidenden und trauernden Angehörigen. Gnade uns Gott wir würden darüber genauso unmittelbar erfahren wie über diese 16 Toten.

Freitag, Februar 13, 2009

Bitteres Sri Lanka

Vor wenigen Tagen wurde Lasantha Wickramatunga, der Chefredakteur der oppositionellen Zeitung Sunday Leader auf offener Straße in Colombo erschossen. Nun wurde ein Brief veröffentlicht den Wickramatunga für den Fall seiner Ermordung geschrieben hatte.
Viele Zeitungen weltweit haben den Brief veröffentlicht. Hier ist er nachzulesen: The New Yorker: Letter From The Grave Und er ist sehr sehr lesenswert. Sehr!

Donnerstag, Februar 12, 2009

Mediale Lebensberatung

Ich denke ich muß diese Googleanzeigen in meinem Blog ausschalten. Jetzt habe ich schon dreimal einen Link zu einer "Medialen Lebensberatung" dort gesehen. Liegt das daran, daß meine letzten Blogeinträge so grantig waren? Direkt darunter "Sterbebegleitung" und Angebote für "Frauen nach Totgeburt". Mir ist gerade schleierhaft wieso der Google-Adserver diese Anzeigen bei mir passend plaziert sieht. Kann Google tiefer in meine schwarze Seele sehen als ich selbst? Freud hilf!

Die Frau Stolzenberg von Dell - Nachtrag

Ein kleiner Nachtrag der Fairness halber:

Man hat mir von kundiger Seite glaubhaft versichert, daß die Faxnummer unter der ich glaubte Frau Stolzenberg zu erreichen jedenfalls nicht die ihre ist. Irgendwo landeten also meine Briefe aber eben nicht bei ihr.

Und tatsächlich, als ich meinen Bloglink an die richtige Stelle bei Dell emailte, pilzte die Hilfsbereitschaft plötzlich rasant hoch.

Auch stimmt die Behauptung der Reduzierung von Personals wohl nicht. Im Gegenteil habe Dell die Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland sogar aufstocken können.

Trotzdem ist der überforderte Service ja spürbar. Die Frage ist woher das dann kommt? Ich glaube vor einigen Jahren ist der zum Teil ins Ausland (Indien?) outgesourcte Callcenterbereich wieder nach Deutschland geholt worden. Liegt des Rätsels Lösung vielleicht in irgendwelchen Umstrukturierungen? Ich werde das mal erforschen... :-)

Mittwoch, Februar 11, 2009

Die Frau Stolzenberg von Dell

Ich schreibe Dorothee Stolzenberg jetzt regelmäßig einen Brief. Frau Stolzenberg ist die Deutschland-Chefin von Dell und ich kenne sie gar nicht. Ich würde Sie gerne kennen lernen, aber das Interesse beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Meine Briefe sind nämlich die eines zornigen Kunden und davon lässt man ab einer bestimmten Management-Ebene besser die Finger. Jedenfalls bei Dell.

Lustiger weise ist das zum Beispiel bei Vodafone anders. Wenn man da mal eine verzweifelte Nachricht an den Vorstandsvorsitzenden schickt, ist die Chance groß eine richtig qualifizierte Reaktion zu kriegen. So jedenfalls meine gepflegte Quengelerfahrung.

Dell ist ein furchtbar großer Computer-Hardware-Konzern und stellt recht knackige Geräte her. Zusätzlich zum Verkauf gibt es ein genauso monströses Servicenetz verbunden mit einer Vielzahl an Servicevertragsoptionen die man beim Computerkauf dazu erwerben kann.

Aber auch bei Dell scheint man schon ordentlich sparen zu müssen. Da man aber das Servicenetz an sich nicht kleiner machen will, hat man es offensichtlich einfach mit weniger Personal ausgestattet. Man hangelt sich also wie früher durch endlose telefonische Auswahlmenüs und von Ansprechpartner zu Ansprechpartner (Passend dazu gibt gleich noch einen Youtube-Link zum Buchbinder Wanninger im Facebook Profil). Nur man wartet eben länger. Und das sind beim Premium-XPS-Service für Unternehmenskunden (also die ganz tolle und bevorzugte Hotline...) so 15-45 Minuten pro Anruf. Da liegen die Nerven schon mal blank.

Bei der Reparatur meines Notebooks hatte man auch kein glückliches Händchen. Erst ließ man mich eine Woche im Ungewissen wo und ob mein Notebook repariert wird und als es dann überraschend per Post geliefert wurde, fehlten tatsächlich fünf Schrauben am Gehäuse (von denen vier die Festplatte hätten halten sollen).

Das habe ich alles Frau Stolzenberg von Dell erzählt. Aber sie antwortet mir nicht. Vermutlich ist der Aktienkurs von Dell gerade etwas gesunken und sie musste mal wieder ein paar Mitarbeiter entlassen. Ich versteh's ja. Sonst werden ja die Shareholder böse.

Samstag, Februar 07, 2009

Das Reisen in den Zeiten der geistigen Cholera

Eine Entschuldigung vorab. Der hochtrabende Titel findet keine echte Widerspiegelung im folgenden Text. Aber ich fand ihn so hübsch, daß ich ihn nicht mehr ändern wollte.

Ich habe eine Reisemacke. Ich kann in Deutschland im Zug nur erste Klasse fahren. Das klingt nach Luxussucht, so ist es aber eigentlich nicht. Es geht mir weniger um bequemeres Reisen oder ein Abheben von der Masse. Der eigentliche Grund ist noch viel überheblicher. Denn obwohl ich zufällige Begegnungen und neue Eindrücke liebe und aufsauge wie ein Schwamm, kann ich in den wenigsten Fällen das erzwungene Zusammensein mit dummen Menschen ertragen. Das ist in den ersten Minuten und vielleicht auch eine Stunde lang witzig, interessant und tatsächlich bereichernd. Bei mehrstündigen Fahrten ist es aber nur noch ein Mordgrund. Und die Erfahrung zeigt, daß sich entsprechende Menschen in Zügen überproportional oft neben mich setzen. Das kann mir freilich auch in der ersten Klasse passieren, aber schlicht weil es dort weniger voll ist (und nicht weil dort smartere Menschen sitzen, nein!), ist das Risiko geringer.

Heute zweifelte ich aber mal wieder an meinem Reisekonzept. Das erste Drittel meiner Fahrt von München nach Berlin wurde von zwei älteren Frauen begleitet, die sich auf peinlich oberflächliche Weise über Gott und die Welt unterhielten; dabei zum Ausdruck ihrer Weltläufigkeit immer wieder zu schlechtem Englisch und Französisch mit schwerem Schweizer Akzent wechselten. Ich war mehrmals kurz davor meinen Kaffee in die richtige Richtung umkippen zu lassen. Alleine eine Sauerei-Nutzen-Analyse hielt mich zurück.

Aber Erleichterung war nah. Als die beiden endlich ausgestiegen waren, quartierten die Schaffner eine Mutter mit Sohn und Tochter aus purer Platznot in die erste Klasse um. Der Junge beschwerte sich lautstark und mit dröhnendem Gelächter, daß er zweite Klasse gebucht sei und höchstens noch die dritte Klasse akzeptieren würde. Später wollte das Mädchen dann ihren Schal als Fahrkarte aufdrängen ("meine gestrickte Karte!"). Irgendwie war die Welt wieder in Ordnung.

Vielleicht fahre ich doch im falschen Teil des Zugs.

Freitag, Februar 06, 2009

Das Lenbachhaus hat Kandinsky vergewaltigt

Jetzt habe ich mir endlich auch mal die große große Kandinsky Ausstellung gegönnt.

Es war ein bißchen fürchterlich.

Kandinsky war kein Freund von Kritikern. Und zwar nicht nur, weil er am Anfang seiner künstlerischen Arbeit ordentlich Gegenwind von dieser Seite bekommen hat. Er wollte, daß die Menschen seine Kunst ohne Vorurteile, ohne Vorwissen, quasi pur emotional erfassen konnten. Das weiß auch das Lenbachhaus, eine Mitarbeiterin des Hauses zitiert das gar im superlustigen (!) 30 minütigen Begleitfilm.

Aber was tun die Kuratoren? Sie statten die Besucher mit kleinen Geräten aus auf denen man die Nummer des betrachteten Bildes eintippt um dann einen endlosen Sermon von Interpretationen und Beschreibungen über sich ergehen zu lassen. Und geschätzte achtzig Prozent der Besucher tun genau das. Man drückt eifrig Tasten und erstarrt mit dem Gerät am Ohr von den Bildern. Für den Betrachter wirkt das als hätte sich eine Gemeinschaft von Dauertelefonierern im Kunstbau versammelt.

Kandinsky wäre wohl schreiend durch die Reihen gelaufen, hätte Geräte aus den Händen gerissen und demonstrativ auf dem Boden zertreten. Im Kunstbau ging jedenfalls kaum einer mehr unbefangen auf die Bilder zu. Ziemlich schade.

Am Rande: Da gibt es ja den superlustigen Begleitfilm zur Ausstellung. Der Kameramann hatte sich offensichtlich gerade erst einen Kran gekauft. Und der musste jetzt dringend refinanziert werden. Deswegen schwenkt, hebt und senkt sich das Bild auch als würden wir einen imperialen Luftkrieg beobachten. Man muß ihm das nachsehen, so ein Kran ist nämlich verdammt teuer.

Mittwoch, Februar 04, 2009

I hobn Past gsen

Letztlich bin ich froh, daß ich als Christ aufgewachsen bin. Denn alles andere hätte zu fatalen Verirrungen geführt. Wäre ich Jude gewesen, wäre ich jetzt Antisemit und wäre ich früher Muslim gewesen, würde ich jetzt den Islam geißeln – auch unpraktisch heutzutage. So wie es aber geschehen ist, hat sich aus meinem allgemeinen Befremden über alles Religiöse eine gesunde Abscheu dem organisierten Christentum gegenüber entwickelt. Das fühlt sich gut an und man hat unsympathische Gegner, was ja jede Form von Antipathie immer wohliger macht. Und es ist so wunderbar, daß mein Groll von der Amtskirche so brav gepflegt wird. Wo kämen wir hin, wenn mir plötzlich ein gewohntes Gefühl abspenstig gemacht würde. Ich schimpfe ja gerne viel allgemeiner über die mangelnde Intelligenz Gottes. Das katholische Bodenpersonal jedenfalls reicht dem allemal das Wasser. Geradezu komisch anzusehen wie sich im Moment die ganze Mitra-Prominenz in die Albernheit hinein redet. Ich glaube ja auch nicht, daß der gute Ratzinger ein verwurzelter Antisemit ist. Wenn, dann ist er ein Antisemit aus Dummheit und Nachlässigkeit. Vielleicht ist das aber in seiner Position noch schlimmer. Denn das waren auch schon mal welche.