Donnerstag, Oktober 12, 2006

Tbilisi, Georgien

Es fällt ein wenig schwer direkt aus der westlichen Welt hier her reisend mit objektiven und fairen Maßstäben dieses Land und diese Stadt zu beschreiben. Zu sehr vergleicht man. Vielleicht gibt sich das mit der Zeit. Ich werde nicht lange genug da sein. Man vergebe mir also einiges.

Das Flugzeug der Georgian Airways war eine 737, die wirkte auch gut gepflegt und der Pilot nüchtern. Insofern alles beruhigend. Bemerkenswert auch. daß der Pilot erkennbar sanfter aufsetzte, als ich das mit so ziemlich jedem Lufthansaflug erlebt habe. Der Kaukasus fing trotzdem schon während der Landung an. Eine Landebahn aus Betonplatten mit dem typischen Rilleneffekt. Das Ausrollen also dann erstmal etwas ungewohnt mit rasantem Holterdipolter.

Aus dem Fenster sah ich dann gleich den ersten Hinweis auf hektische Diplomatie und die Rolle der Amerikaner in Georgien. Ein diskretes Regierungsflugzeug der USA stand da; komplett in weiß mit einer klitzekleinen US-Fahne am Heck und einer ebenso winzigkleinen ID-Nummer. Oder wars der CIA? Naja, der hätte wohl auf die kleine Flagge noch verzichtet.

Die Fahrt vom Flughafen offenbart dann noch die Armut des Landes - große Leere und viele verlassene Gebäude. Die Atmosphäre erinnert ein wenig an Überlandfahrten in Spanien oder Süditalien.

Aber Tbilisi! Rasant! Wild! Es kocht! Es mischt sich geschäftiges Treiben mit bitterer Armut. Skurilles Massenherumstehen neben dem stetigen Fluß der Fußgänger auf den überfüllten Gehsteigen und einer riesigen Masse an kleinen Händlern, zum Teil in Läden, zum großen Teil einfach auf der Straße.

Und Fußgänger und die Autos! Während ich noch kürzlich New York für den Akt des mutigen Querens gepriesen habe, ist es hier wahrlich ein Abenteuer. Acht-spurige Straßen die konsequent zehn-spurig genutzt werden, gilt es zu überwinden. Dafür braucht es Timing, Balance und einen gewissen Grad an Todessehnsucht. Denn mehrere Spuren auf einmal zu nehmen ist nicht immer möglich. Es gilt also günstige Zwischenhalts mitten zwischen den Autos auszumachen und dabei den dauernden Spurwechseln möglichst nicht im Weg zu stehen.

Mein Aufenthalt hier wird übrigens deutlich kürzer als geplant. Weil ich doch nicht bis Süd-Ossetien kommen werde, breche ich früher auf und da die Flüge der (günstigen) Georgia Airways nur sehr sporadisch nach Amsterdam fliegen sogar deutlich früher als von mir gewünscht. Aber da Tbilisi im Moment einem Dauerregen ausgesetzt ist und ich mir vorgenommen habe, wieder zu kommen ist der Zeitplan so vielleicht doch nicht so schlecht.

Fee, ich komme am 14. irgendwann am späten Vormittag aus Amsterdam an. :-)

Ja, Süd-Ossetien. Die allzu kurzfristige Planung hat es leider unmöglich gemacht in die Region zu reisen. Die Süd-Ossetien hätten es wohl zugelassen, aber das Georgische Presseamt im Außenministerium liebt ganz so kurzfristige Reisen nicht und mir liegt viel daran danach wieder nach Georgien gelassen zu werden... Aber man war für spätere Pläne aufgeschlossen und so werde ich wohl wieder kommen müssen... Die georgische Vize-Leiterin des Presseamtes hatte übrigens ganz passend das Buch "Crisis Diplomacy" auf dem Schreibtisch liegen.

Hauptgrund für das Aufschieben meiner Süd-Ossetien Pläne ist aber, daß ich die vermutlich interessantesten Ansprechpartner in dem Konflikt nicht unsinnig bedrängen will. Die OSZE wird im Moment mit Presseanfragen bombardiert und gerade im Moment finden wichtige Gespräche statt die viele Mitarbeiter dort binden. In dieser Situation auf ein Begleiten von z.B. von Militärbeobachtern zu drängen, wäre eher kontraproduktiv. Immerhin hatte ich die Gelegenheit zu einem sehr informativen Gespräch mit einem politischen Beobachter (meine sinngemässe und hoffentlich nicht zu abwegige Übersetzung von "political officer").

Jetzt gehe ich mal ein paar Filme sehen, damit mein Gastgeber, das Filmfest, auch was von mir hat.

1 Kommentar:

Brent E. Kovac hat gesagt…

Sie reisten viel, das ist beeindruckend. Ich habe auch beschlossen, nach meiner Reise in die Arktis https://poseidonexpeditions.com/de/arktis/svalbard-east-greenland-iceland/ zu bloggen. Ich kenne den überraschenderen Kontinent der Arktis nicht. Aber auf diese meine Abenteuer nicht enden, mein nächster Urlaub werde ich in Indien verbringen. Oder wenn du deinen Rat nimmst, werde ich nach Georgia fliegen. Das wird interessant.