Neulich bin ich mal wieder Bahn gefahren. Ich fahre gerne
Bahn. Entspannter kann man kaum reisen. Ganz zu schweigen von dem CO²-Footprint
der meinem verlotterten Karma ordentlich gut tut.
Nun gedachte ich der schon gewohnten Entspanntheit eine
Krone aufzusetzen und richtigen echten Schlaf mit Bett und Bettdecke zu
addieren. Das erste Mal Schlafwagen. Der CNL 1246 von München nach Berlin.
Start um 21:50, ankommen um kurz vor neun. Viel Zeit zum Lesen, Rumhängen und Schlafen.
Die Bahn bewirbt ihre Citynightline auf ihrer Website mit
hübschen Hotelfotos und den klassischen Superlativen. Und ich freue mich wie
ein kleines Kind auf diese Nacht. Angst vorm Schunkeln oder den dauernden
Nebengeräuschen habe ich nicht. Im Gegenteil, leichter Hintergrund läßt mich
meist eher wohliger schlummern als völlige Stille.
An was ich nicht dachte: Die Außentemperaturen waren in den
letzten Nächten in die Minusbereiche gerutscht. Und es ist halt, naja, die
Bahn.
Ich steige in den Wagon Nr. 18 mit der Seriennummer 6185
76-94 310-3 ein. Hergestellt wurde der Wagen von verschiedenen Firmen:
Schindler Waggon, SGP, Talbot und einem Konsortium Waggonausrüstung Hotelzug.
Hätte ich vorher ein bißchen gegoogelt, hätte mich vermutlich stutzig gemacht,
daß es die besagten Firmen entweder nicht mehr gibt oder daß sie in entkernter
Form mittlerweile etwas völlig anderes machen.
Mein Bett liegt ziemlich nah am Eingang, ich steige eine
kleine Treppe nach oben und bin erst mal ziemlich baff. Ich kann mich bequem
ausbreiten, in der Kabine hätten auch vier Betten Platz gefunden. Zugegeben,
ich hatte mir – wennschondennschon – die Version mit Einzelbett, eigener Dusche
und WC ausgesucht. Vor dem Gedanken nachts im Schlafanzug auf eine
Gemeinschaftstoilette zu stolpern, hatte ich dann doch Angst. Im Nachherein
scheinen DIESE Bedenken fast albern.
Aber es gilt noch Lob zu hudeln: Das Bett ist frisch gemacht
und sauber. Auf dem Tisch stehen Orangensaft und Wasser. Der Schaffner hatte
mir gar noch eine kleine Flasche Rotwein (Käfer, Schraubverschluß, ohne
Herkunftsort) gestiftet, die Fenster bieten zur Seite und nach oben echtes
Panorama.
Nur wenn man genauer hinschaut merkt man ein paar Dinge die
einen irritieren könnten: Der Kunststoff im Bad hat auf der Toilette und in der
Dusche so einige echt häßliche Flecken, es sieht ein wenig nach rostigem Wasser
aus, das sich da festgesetzt hat. Auch der Duschkopf möchte dringend ausgewechselt
werden – aber der Vorgriff auf die Recherche der Firmengeschichte läßt einen
ahnen, daß es Ersatzteile für diesen Waggon möglicherweise gar nicht mehr gibt.
Trotzdem, ich fühle mich richtig wohl, die etwas ältliche
Einrichtung verströmt einen leichten Steampunk-Charme. Ich lese noch etwas,
trinke den Rotwein und schlafe gegen elf Uhr ein, sanft geschaukelt und
angebrummt von der Lüftung der Klimaanlage. Wundervoll.
0:20 ist die Nacht zu Ende. Erst denke ich, daß mein Wecker
schon klingelt, aber das rhythmische Hupen ist ein Rauchalarm. Irgendein
hirnverbranntes Arschloch hat in seinem Abteil geraucht und der Hersteller des
Wagens fand es sinnvoll im Falle des Falles gleich alle Mitfahrer zu
informieren. Man lernt nun seine Mitreisenden im Schlafanzug auf dem Gang
kennen. Der Schaffner hantiert kurz mit Schaltern und es herrscht wieder Ruhe.
Aber ob es nur zufällig zusammen fällt oder doch irgendwie
mit dem hantieren am Alarm zu tun hat – plötzlich fällt mir auf, daß die
Lüftung nicht mehr geht. Sie hat bisher die warme Luft der Klimaanlage ins
Abteil geblasen.
Ich vertraue selig auf die Automatik des Systems und
versuche wieder einzuschlafen. Aber es funktioniert nicht mehr, es wird immer kälter.
Als sich um eins noch immer kein Lüftchen rührt, beginne ich
meinen Zugbegleiter zu suchen. Offenbar hat er sich in irgendein Abteil zurück
gezogen, aber welches? Ich gehe mehrere Waggons in die eine wie in die andere
Richtung ohne jemanden zu finden. Ärgerlich. Nun denn, Züge lassen sich
anrufen, das wird auch hier gelingen. Ich fange an zu telefonieren, werde
mehrmals wegen der schlechten Verbindungen unterbrochen, bin öfter der
Buchbinder Wanninger, aber gegen zwei erreiche ich jemandem in Berlin der mir
verspricht sofort den Zugführer zu informieren. Und tatsächlich, zehn Minuten
später stürmt ein älterer Herr in meinen Waggon und klopft meinen Zugbegleiter
aus seiner Kabine. Ist die Rettung nah? Wird’s jetzt wieder warm?
Nein, es wird nicht mehr warm werden. Der Zugbegleiter
informiert mich, daß die Klimaanlage auf Hochtouren laufe, die Zirkulation der
Luft aber immer mal wieder ausfalle, wenn die Lok nicht genügend Strom liefern
würde. Ich könnte in einen Liegewagen umziehen (dankeschön…) oder auf den
Lokwechsel um 5 Uhr hoffen. Jedenfalls sei das mehr oder weniger normal und
Massenerkältungen bei kühlem Wetter die Regel.
Großes Kino.
Nun, ich richte mir meinen Polarschlafplatz so gut es geht
ein. Ich habe mich wieder komplett angezogen, ins Bett gelegt und noch meine
Northfacejacke als zweite Decke drüber getan. Das geht so halbwegs. Aber an meinen
Ohren und meiner Nase ist es verdammt kalt, an echten Schlaf ist nicht zu denken.
Ich döse frierend bis 5 Uhr und merke das Rumpeln des
Lokwechsels bei Hildesheim. Und tatsächlich, plötzlich geht die Lüftung wieder
an und warme Luft strömt in mein Abteil. Mehr Strom? Oder hat der Zugbegleiter
doch noch den richtigen Schalter gefunden?
Um sieben wollte ich mich wecken lassen und jetzt hatte ich
noch zwei Stunden Schlaf vor mir, ich wußte, mein Aufwachen würde grausam
werden.
Und das wurde es. Das Frühstück war auch kein Trost. Billige
Massenware. Jedes Lufthansa-Economy Frühstück ist ein Festmahl dagegen.
Die Bilanz: Das Ganze macht nicht nur ärgerlich, sondern
auch nachdenklich. Die Bahn macht hier bei einem Premiumangebot alles falsch.
Sie nutzt Hardware, die längst ausgetauscht hätte werden müssen, statt dessen
investiert man in Halbstundengewinne auf Strecken auf denen dann die
Klimaanlage bei Hochtemperaturen ausfällt. Gleichzeitig werden Kosten im
Kundenkontakt so weit reduziert, daß das Geldausgeben bei der Bahn immer
mühsamer wird. Das S-Bahn-Drama in Berlin war nur die Spitze einer bestimmten
Art diesen Betrieb zu führen. Ich weiß nicht, ob es an der Regentschaft des
Shareholder-Value liegt oder gar umgekehrt am hohen Staatsanteil der die Bahn
de facto immer noch einen Staatsbetrieb seinläßt.
Vermutlich ist es aber doch einfach nur Dummheit.
Beim Aussteigen fragt mich der Zugbegleiter übrigens in
freundlicher Routine, ob er mich auf dem Rückweg nach München wieder sehen
wird. Ich habe ihn nur völlig fassungslos angesehen.
1 Kommentar:
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